Föderalismusreform: Keine Integration behinderter Menschen nach Kassenlage!

{7.6.2006} - Der Deutsche Behindertenrat (DBR), das Aktionsbündnis der Behinderten- und Selbsthilfeverbände der Bundesrepublik Deutschland, hat heute nochmals vor dramatischen Auswirkungen der Föderalismusreform auf die Lebenssituation behinderter Menschen gewarnt.

Die DBR-Sprecherratsvorsitzende Brigitte Setzer-Pathe sieht keine Chance für eine fortschrittliche Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sozialgesetzbuch XII (Sozialhilfe), wenn den Ländern das Recht eingeräumt würde, die bisherigen bundeseinheitlichen Regelungen der Eingliederungshilfe "durch Landesrecht zu ersetzen". Brigitte Setzer-Pathe: "Das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel einer Weiterentwicklung der Leistungsstrukturen der Eingliederungshilfe könnte nicht erreicht werden, wenn der Bund den Gemeinden keine Aufgaben mehr übertragen dürfte". Setzer-Pathe: "Der Deutsche Behindertenrat appelliert erneut eindringlich an alle Mitglieder des Bundestages, das Reformgesetz in der vorliegenden Form nicht zu verabschieden und auch künftig eine bundeseinheitliche Regelung und Gestaltung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen zu gewährleisten".

Zudem verstoße die Große Koalition auch insoweit gegen ihre eigenen Festlegungen, als sie im Koalitionsvertrag eine Zusammenarbeit mit den Behindertenverbänden bei der Neuordnung der Eingliederungshilfe zugesagt hätte, die bisher jedoch in keiner Weise stattgefunden habe.

Nach Einschätzung des DBR drohen auch weitere gravierende Auswirkungen auf die Rechte behinderter Menschen durch die Veränderung der Zuständigkeit in folgenden Bereichen: Gaststättengesetz, Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Heimrecht, Hochschulrahmenrecht sowie Sozialgesetzbuch IX (Rehabilitation).

Der DBR sieht vor allem die große Gefahr, dass die durch das SGB IX geschaffenen gemeinsamen Verfahrensvorschriften zur Durchführung des Gesetzes – insbesondere bei den Leistungen des Persönlichen Budgets, der Frühförderung und der Gemeinsamen Servicestellen – in der Praxis ins Leere laufen würden. Die Sprecherratsvorsitzende erneuerte für den DBRdie Befürchtung, dass es angesichts der Haushaltslage der Gemeinden und Kommunen künftig eine "Versorgung nach Kassenlage" gebe, wenn die Reform wie geplant verabschiedet würde. Für behinderte Menschen müssten bundesweit gleiche Leistungen und Chancen dauerhaft sichergestellt sein.

Brigitte Setzer-Pathe: "Der mit dem SGB IX und dem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen erreichte Paradigmenwechsel für umfassende Gleichstellung und Teilhabe behinderter Menschen darf nicht zur Worthülse verkommen".

V.i.S.d.P. Hans-Jürgen Leutloff

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