Behindertenpolitik verträgt keinen Stillstand

Deutscher Behindertenrat zum Meinungsaustausch bei Kanzlerin Merkel

26.3.2012 - Solange Menschen mit Behinderung ausgegrenzt und benachteiligt werden, ist das Ziel noch lange nicht erreicht, Chancengleichheit für sie herzustellen und ihnen eine gleichberechtigte berufliche und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Das machte Ulrike Mascher, VdK-Präsidentin und Sprecherin des Deutschen Behindertenrates (DBR), bei einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel deutlich. Gemeinsam mit anderen Vertretern des DBR war Mascher Anfang März im Bundeskanzleramt.


Gruppenfoto: Hannelore Loskill, Ulrike Mascher, Jens Kaffenberger, Dr. Angela Merkel, Adolf Bauer, Barbara Vieweg
Im Gespräch (von links): Hannelore Loskill, stellvertretende Bundesvorsitzende der BAG Selbsthilfe, VdK-Präsidentin und DBR-Sprecherin Ulrike Mascher, stellvertretender VdK-Bundesgeschäftsführer Jens Kaffenberger, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, SoVD-Präsident Adolf Bauer und Barbara Vieweg vom Weibernetz e.V., einer politischen Interessenvertretung behinderter Frauen. Foto: Peter Himsel
Die im DBR zusammenarbeitenden Verbände fordern eine konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. "Behindertenpolitik verträgt keinen Stillstand. Die UN-Konvention zeigt, wie viel noch zu tun ist", so Mascher. So sei beispielsweise der Aufschwung in der deutschen Wirtschaft bei den Menschen mit Behinderung noch nicht angekommen. Trotz guter Konjunktur ist die Arbeitslosigkeit unter schwerbehinderten Menschen bis Ende des vergangenen Jahres angestiegen. Der zunehmenden Spaltung des Arbeitsmarktes zulasten von Menschen mit Behinderung gelte es, entschieden entgegenzutreten. Darüber hinaus kritisierten die DBR-Vertreter die Kürzung der arbeitsmarktpolitischen Förderung.

Menschen mit Behinderung seien von dieser Streichung wieder am stärksten betroffen, da sie auf dem Arbeitsmarkt ohnehin weniger Chancen haben. Aktuell werden Hilfsbedürftige ab 58 Jahren, die nach einem Jahr Grundsicherung noch kein Angebot auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben, einfach aus der Statistik gestrichen.

Reha-Deckel muss weg

Der Deutsche Behindertenrat fordert den Wegfall des sogenannten Reha-Deckels. Dieser Forderung wurde im Gespräch mit der Bundeskanzlerin noch einmal Nachdruck verliehen. Die meisten Schwerbehinderungen treten erst später ein. Oft genug im letzten Drittel des Berufslebens, und oft genug haben sie ihre Ursache in den körperlich und psychisch schweren Arbeitsbedingungen vieler Berufe. Doch jeder dritte Antrag auf eine Rehabilitation wird von der Rentenkasse mittlerweile abgelehnt. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Anträge um 40 Prozent erhöht, doch das Budget für berufliche Rehabilitationsmaßnahmen ist das Gleiche geblieben. Umso mehr verwundert es, dass die Bundesregierung jetzt in Aussicht stellt, erst ab 2017 zusätzliche Mittel für die Rehabilitation zur Verfügung zu stellen.

Auch die ausstehende Reform der Eingliederungshilfe wurde im Bundeskanzleramt thematisiert. Der Sozialverband VdK fordert seit Langem, dass diese Leistung zugunsten behinderter Menschen reformiert und auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten wird. Ziel dieser Maßnahmen ist, dem behinderten Menschen im Bedarfsfall die erforderliche Hilfe zu geben und ihm solange wie möglich den Verbleib in der eigenen Wohnung und im vertrauten sozialen Umfeld zu ermöglichen. Dabei sollen zugleich die Rahmenbedingungen für eine möglichst eigenverantwortliche und selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft weiter verbessert werden. (ikl)

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