
Das Bundesverfassungsgericht hat die Triage-Regelungen, die während der Hochphase der Coronapandemie aufgestellt wurden, für nichtig erklärt. Menschen mit Behinderungen fürchten also erneut, in Krisensituationen nicht ausreichend vor Diskriminierung geschützt zu werden - und, dass es künftig vom Wohnort abhängt, wie im Ernstfall gehandelt wird.
Die Triage-Regelungen hat der Bundestag 2022 beschlossen. Diese legen unter anderem fest, dass in Krisensituationen, wenn die Kapazitäten auf den Intensivstationen knapp werden, nur aufgrund der aktuellen und kurzfristiger Überlebenswahrscheinlichkeit der Betroffenen entschieden werden soll, wer zuerst behandelt wird. Unter Menschen mit Behinderungen führte das zu einem Aufatmen - viele hatten Sorge, in der Krise benachteiligt zu werden.
Umso größer ist nun die Enttäuschung über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. "Damit werden Menschen mit Behinderungen in Krisensituationen zunächst einmal schutzlos gestellt. Das ist fatal", sagt Dr. Martin Danner, Koordinator des DBR-Arbeitsausschusses.
Gericht begründet Entscheidung nicht direkt mit Inhalt der Regelung
Obwohl das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung nicht direkt mit dem Inhalt der Regelungen begründet, sondern mit Formalitäten - der Bundesgesetzgeber sei nicht zuständig gewesen und habe solche Fragen nicht regeln dürfen - hebt das Gericht hervor, dass mit der bisherigen Regelung auch die Berufsausübungsfreiheit der Ärzt*innen eingeschränkt worden sei. "Die Berufsausübungsfreiheit der Mediziner darf aber nicht einseitig zulasten der Menschen mit Behinderungen verabsolutiert werden", sagt Dr. Martin Danner.
Weil die Regelungen nicht nur auf die Pandemie anzuwenden sind, seien Entscheidungen über das Vorgehen aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts Ländersache. Das bedeutet, es wird möglicherweise auch in Zukunft keine einheitliche Regelung dazu geben. "Wir befürchten, dass das zu einem Flickenteppich führen wird, der den Schutz von Menschen mit Behinderungen nicht sicherstellen kann", sagt Dr. Martin Danner. "Doch dieser Schutz von Menschen mit Behinderungen hat auch Verfassungsrang."