Gesetzesvorschlag Inklusionstaxis

Der vorliegende Gesetzesvorschlag bezieht sich ausschließlich auf notwendige Regelungen im Zusammenhang mit der Bereitstellung eines ausreichenden Angebots an Inklusionstaxis. Er umfasst damit nur einen Teilbereich der notwendigen Gesamtreform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Für gleiche Mobilitätsmöglichkeiten außerhalb der Inanspruchnahme von Inklusionstaxis durch Menschen mit Behinderungen sind weitere Änderungen erforderlich, die durch die nachfolgenden Vorschläge nicht in Frage gestellt werden, sondern diese ergänzen. Änderungsbedarfe ergeben sich im Übrigen insbesondere zur akustischen Wahrnehmbarkeit von Fahrzeugen, zur Barrierefreiheit von Buchungs- und Bezahlsystemen und zur Mitnahme von Hilfsmitteln einschließlich tierischer Assistenz – dies gilt für den ÖPNV; den Taxiverkehr oder ggf. auch neue Verkehrsdienste.

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Artikel 1
Änderung des Personenbeförderungsgesetzes

Das Personenbeförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1990 (BGBl. I S. 1690), dass zuletzt durch Art. 2 Abs. 14 Gesetz vom 20.07.2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 2 wird wie folgt geändert: Nach Absatz 3 wird folgender Absatz § 3a eingefügt: "(3a) Die Genehmigungsbehörde soll bei der Zulassung von Genehmigungen nach § 47 sicherstellen, dass ein den örtlichen Erfordernissen entsprechendes Angebot an multifunktional barrierefreien Taxis (Inklusionstaxi) entsteht."

2. § 13 Abs. 4 wird wie folgt geändert:

a) Satz 1 wird wie folgt neu gefasst: "Beim Verkehr mit Taxen ist die Genehmigung zu versagen, wenn die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden; dies ist der Fall, wenn durch die Ausübung des beantragten Verkehrs das örtliche Taxengewerbe in seiner Funktionsfähigkeit bedroht wird."

b) Nach Satz 1 wird folgender Satz 2 eingefügt:
"Das öffentliche Verkehrsinteresse ist auch dann beeinträchtigt, wenn eine den örtlichen Erfordernissen angemessene Versorgung mit multifunktional barrierefreien Taxis (Inklusionstaxi) nicht erreicht wird."

c) Der Nr. 1 wird folgender Halbsatz angefügt: "unter besonderer Berücksichtigung der Beförderungsaufträge von in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen."

d) Der Nr. 2 wird folgender Halbsatz angefügt: "Anteil der Zulassungen von multifunktional barrierefreien Taxis (Inklusionstaxi)."

3. § 47 Abs. 3 Nr. 4 wird wie folgt geändert:

"die Beförderung von Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben und insbesondere zur Sicherung der Mobilität von Rollstuhlnutzern. Bei der Vergabe von Konzessionen für das Betreiben von Taxifahrzeugen soll der jeweilige Bedarf an barrierefreien Fahrzeugen (Inklusionstaxis) berücksichtigt werden. Dieser Bedarf ist Teil des Pflichtfahrbereichs und soll die spontane Bereitstellung für Personen mit eingeschränkter Mobilität bedarfsgerecht gewährleisten. Die Länder treffen Regelungen nach Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 im Wege der Verordnung binnen einer Frist von 2 Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes."

Artikel 2
Änderung der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft)

Auf Grund des § 57 Abs. 1 und 3 sowie des § 58 Abs. 1 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) vom 21. März 1961 (BGBl. I S. 241), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und über die Einrichtung eines Gewerbezentralregisters vom 13. Juni 1974 (BGBl. I S. 1281), wird mit Zustimmung des Bundesrates die Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrtunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) wie folgt geändert:

§ 25 wird wie folgt geändert:
Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:
"Taxen und Mietwagen zur Beförderung von in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen erfüllen alle vorgenannten Merkmale sowie zusätzlich die jeweils geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik für barrierefreie Fahrzeuge; die DIN 75078 in ihrer jeweils gültigen Fassung legt hierfür den Mindeststandard fest."

Artikel 3
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Mit der zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) wurde die Zielvorgabe der vollständigen Barrierefreiheit nach der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) im PBefG für den ÖPNV umgesetzt. In § 8 Abs. 3 S. 3 PBefG ist seitdem geregelt, dass Nahverkehrspläne die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen haben, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Die konkrete Umsetzung dieses Ziels ist Aufgabe der Bundesländer und die rechtliche Wirkung ist auf die grundsätzliche Verpflichtung der Aufgabenträger zur planerischen Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen beschränkt. Die Norm gewährt dem Einzelnen dagegen kein subjektives Recht auf Einhaltung der Umsetzungsfrist durch die Aufgabenträger. Vor allem aber ist diese Verpflichtung auf den öffentlichen Personennahverkehr beschränkt, der die sog. Gelegenheitsverkehre, also den Taxi- und Mietwagenbetrieb nicht umfasst. Dies bedeutet, dass es zur Zeit keine rechtliche Verpflichtung der privaten Taxi- und Mietwagenbetriebe gibt, die Belange von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen vergleichbar wie im ÖPNV zu berücksichtigen und zumindest für einen Teil der betriebenen Fahrzeugflotten einen barrierefreien Zugang zu gewährleisten. Das derzeit gültige PBefG hat somit Lücken im Hinblick auf die Sicherung sozialer und gesellschaftlicher Standards im Bereich vorhandener Mobilitätsbedürfnisse.
Zur Sicherung einer bundeseinheitlichen Genehmigungspraxis und raschen Erlangung einer bundesweiten Rechtssicherheit ist dafür die Änderung des PBefG erforderlich.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Durch eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes werden einzelne Regelungen zum Antrags- und Genehmigungsverfahren für die Zulassung von Taxifahrzeugen konkretisiert. Den Genehmigungsbehörden soll die Befugnis eingeräumt werden, bei der Erteilung von Taxikonzessionen zukünftig zu berücksichtigen, ob ein den örtlichen Erfordernissen angemessener Anteil an multifunktional barrierefreien Taxis (Inklusionstaxi) auf dem Markt des Gelegenheitsverkehrs mit Taxen vorhanden ist. Ziel ist es, in allen Bundesländern ein möglichst bedarfsgerechtes Angebot an barrierefreien Fahrzeugen auch im Gelegenheitsverkehr mit Taxen zu etablieren. Die Landesgesetzgeber sollen ermächtigt werden, durch landesrechtliche Regelungen eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen auch im Bereich der Beförderung von mobilitätseingeschränkten Personen durch Steuerung der Konzessionsvergaben sicherzustellen. Die Mobilitätsanforderungen dieses Personenkreises sind eine Aufgabe der grundgesetzlich verankerten Daseinsvorsorge.

III. Alternativen
Zu den Regelungen bestehen keine sinnvollen Alternativen.

IV. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 22 (Straßenverkehr), Nummer 12 (Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung) und Nummer 7 (öffentliche Fürsorge) des Grundgesetzes. Das Personenbeförderungsgesetz enthält den gesetzlichen Rahmen für den Marktzugang im gewerblichen Straßenpersonenverkehr. Unterschiedliche Regelungen durch einzelne Länder würden unterschiedlichen sozialen Standards führen. Eine bundesrechtliche Regelung ist deshalb zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich. Die vorgenommenen Änderungen bewegen sich in diesem gesetzlichen Rahmen.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und mit den völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland geschlossen hat, vereinbar.
Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, hat sich die Bundesrepublik im Rahmen der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, geeignete Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten.


VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Die Ergänzungen und Klarstellungen sollen zu einer bundeseinheitlichen Verwaltungspraxis führen und tragen zur Transparenz in den Genehmigungsverfahren bei. Sie bilden damit einen Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Die Regelungen dieses Gesetzes sind relevant für die Stärkung einer nachhaltigen Mobilität durch die Sicherung eines qualitativ angemessenen und für die Genehmigungslaufzeit weitgehend gesicherten Angebots an barrierefreien Fahrzeugen im Gelegenheitsverkehr.

3. Demografische Auswirkungen
Der Gesetzentwurf hat keine spezifischen demografischen Auswirkungen.

4. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Die Regelungen dieses Gesetzentwurfs führen zu keinen zusätzlichen Haushaltsbelastungen auf Bundesebene.
Auf der Länderebene entstehen Haushaltsauswirkungen nur dann, wenn wie im Bundesland Berlin ein Förderprogramm für Inklusionstaxis aufgelegt wird.

5. Erfüllungsaufwand

5.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht durch die Regelungen kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

5.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht durch die Regelungen ein Erfüllungsaufwand in Abhängigkeit von der Beantragung eines Inklusionstaxis. Es sind dann die spezifischen Mehraufwendungen zur technischen Ausstattung eines multifunktional barrierefreien Taxis zu tragen. Weiterer Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft entsteht nicht.

5.3 Erfüllungsaufwand für die Verwaltung

Insgesamt dürfte sich durch die Änderungen der Mehraufwand für die auf Länderebene zuständigen Genehmigungsbehörden nicht wesentlich erhöhen.

6. Weitere Kosten

Für die Taxi-Unternehmen entstehen durch den Gesetzentwurf nur dann Kosten, wenn Unternehmen bereit sind, ein multifunktional barrierefreies Taxi (Inklusionstaxi) anzuschaffen und einzusetzen. Eine Verpflichtung zur Antragstellung eines Inklusionstaxis besteht jedoch nicht. Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

7. Weitere Gesetzesfolgen

Die gleichstellungspolitischen Auswirkungen der Gesetzesänderungen wurden geprüft. Nach dem Ergebnis der Relevanzprüfung sind die Regelungen gleichstellungspolitisch ausgewogen. Die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache ist gewahrt.


B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Personenbeförderungsgesetzes)

Zu Nummer 1
§ 2 Absatz 3a enthält die Möglichkeit einer Ermessenslenkung der zuständigen Genehmigungsbehörde im Hinblick auf die Zulassung von multifunktional barrierefreien Taxis (Inklusionstaxis). Mit dieser Steuerungsmöglichkeit soll über die Erteilung von Taxikonzessionen ein den örtlichen Gegebenheiten und Erfordernissen angepasster Versorgungsgrad an barrierefreien Fahrzeugen auch im Gelegenheitsverkehr geschaffen werden können. Da die Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 2a PBefG eine grundsätzliche Einbeziehung des Taxiverkehrs in den öffentlichen Personennahverkehr gegenwärtig nicht zulassen, weil die Leistungen auf bestimmte Linienverkehre beschränkt sind, erstreckt sich die Verpflichtung zur Schaffung einer vollständigen Barrierefreiheit in § 8 Abs. 3 PBefG nicht auf den Gelegenheitsverkehr mit Taxis. Es ist jedoch gerade das besondere Merkmal der Taxidienste, dass diese an nahezu jedem Ort und zu jeder Tageszeit im Tür-zu-Tür-Verkehr verfügbar sind und eben nicht nur bestimmte Linien des ÖPNV ersetzen, ergänzen oder verdichten. Taxidienste könnten gerade wegen dieser Rundum-Verfügbarkeit als eine über die eingerichteten Liniendienste hinausgehende, Komplettergänzung des ÖPNV angesehen werden.
Bei der Ermittlung des im Zulassungsbereich der Behörde bestehenden Bedarfs an multifunktional barrierefreien Taxis (Inklusionstaxis) können – wie in § 8 Abs. 3 PBefG vorgesehen – die vorhandenen Unternehmer, soweit vorhanden Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte, Verbände der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Fahrgäste und Fahrgastverbände beteiligt und ihre Interessen angemessen und diskriminierungsfrei berücksichtigt werden.

Die Zulassung von Inklusionstaxis führt zu einer Erweiterung der Fuhrparkausstattung und der technischen Möglichkeiten im Fahrzeugbestand der Taxi-Unternehmen. Für diese Unternehmen sind Inklusionstaxis dann ein Teil ihrer regelmäßig eingesetzten Beförderungsmittel, auf die sich dann auch die Beförderungspflicht erstreckt. Die Einführung von Inklusionstaxis beinhaltet jedoch keine allgemeine Erweiterung der gesetzlich unverändert bestehenden Beförderungspflicht. Mit der Einführung von Inklusionstaxis wird nicht der vom Bundesgesetzgeber vorgegebene Pflichtenkatalog hinsichtlich der Beförderungspflichten in § 22 Nr. 1 bis 3 PBefG erweitert, sondern für einen Teil der Taxiunternehmer werden die regelmäßig eingesetzten Förderungsmittel um Inklusionstaxis ergänzt. Diese tatsächliche Änderung im Fuhrpark führt mittelbar für diese Unternehmen zu einer Erweiterung ihrer Beförderungsverpflichtung, weil die Inklusionstaxis dann Teil ihrer regelmäßig einzusetzenden Beförderungsmittel sind. Es ändert sich somit der Umfang der tatsächlichen Beförderungsmöglichkeiten, aber nicht der Umfang der bundesrechtlich vorgegebenen Beförderungspflicht.

Eine Ermessenslenkung im Hinblick auf die Zulassung von multifunktionalen und barrierefreien Taxis (Inklusionstaxis) ist auch keine rechtliche Erweiterung der Betriebspflicht, sondern lediglich eine Erweiterung der tatsächlichen Beförderungsmöglichkeiten. Grundsätzlich ist ein Unternehmer verpflichtet, den ihm genehmigten Betrieb aufzunehmen und während der Geltungsdauer der Genehmigung den öffentlichen Verkehrsinteressen und dem Stand der Technik entsprechend aufrechtzuerhalten (§ 21 Abs. 1 PBefG). Mit der Betriebspflicht ist die Art und Weise gemeint, wie der Taxiunternehmer in Ausübung seiner Verpflichtung zur Bedienung des öffentlichen Verkehrs seine Leistungen organisiert, wie er also im Außenverhältnis dem Benutzer gegenübertritt. Die Betriebspflicht wie die Beförderungspflicht bezieht sich auf den bestehenden Fuhrpark, also die regelmäßig eingesetzten Beförderungsmittel. Gehören Inklusionstaxis zum Fuhrpark des Taxiunternehmers, dann erstreckt sich seine Betriebspflicht auch auf diese Fahrzeuge.

Zu Nummer 2

Zu Buchstabe a
Die Neuformulierung ist redaktioneller Art und erfolgt im Hinblick auf die neue Systematik unter Nummer 2 Buchstabe b.

Zu Buchstabe b
In § 13 Absatz 4 Satz 2 soll klargestellt werden, dass der Begriff des öffentlichen Verkehrsinteresses auch eine ausreichende Versorgung von multifunktional barrierefreien Taxis (Inklusionstaxi) umfasst. Mit einer landesrechtlichen Verpflichtung, ab einer bestimmten Betriebsgröße die Neuvergabe von Taxikonzessionen an das Vorhandensein und den Einsatz von Inklusionstaxis abhängig zu machen, fände eine Steuerung der Konzessionsvergabe statt, die bisher in § 13 Abs. 4 PBefG nicht vorgesehen ist.

Nach dieser Vorschrift ist beim Verkehr mit Taxen die Genehmigung zu versagen, wenn die öffentlichen Verkehrsinteressen dadurch beeinträchtigt werden, dass durch die Ausübung des beantragten Verkehrs das örtliche Taxengewerbe in seiner Funktionsfähigkeit bedroht wird (§ 13 Abs. 4 S. 1 PBefG). Die Kontingentierung in § 13 Abs. 4 PBefG hat den Zweck, einen ruinösen Wettbewerb und eine Existenzbedrohung abzuwenden (BVerwG Urt. v. 15.04.1988 – 7 C 94/86), also der Abwendung von Gefahren für das Taxigewerbe einer bestimmten Region und zum Schutz der Allgemeinheit, der ein funktionierendes Angebot von Taxiverkehr erhalten bleiben soll.

Zu den öffentlichen Verkehrsinteressen gehört auch eine Befriedigung des Bedarfsmarktes "Beförderung von Personen mit eingeschränkter Mobilität" (zum Begriff s.u. zu Buchstabe c). Die Nachfrage nach multifunktional barrierefreien Taxis (Inklusionstaxi) wird gegenwärtig von keinem entsprechenden Angebot abgedeckt. Es besteht eine Lücke im Verkehrsangebot, d.h. eine nicht befriedigende Verkehrsbedienung trotz ausreichender Anzahl von Taxis im Markt bei der Beförderung von Personen mit nicht eingeschränkter Mobilität. Die staatliche Steuerung der Konzessionsvergabe erfolgt deshalb zur Sicherung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen in einem extrem vernachlässigten Segment, also einem berechtigten Interesse der Allgemeinheit.

Im Übrigen gilt, dass die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes weder davon abhängt, dass Inklusionstaxis betrieben werden, noch davon, dass sie nicht betrieben werden oder ein bestimmter Versorgungsgrad an barrierefreien Fahrzeugen für erforderlich gehalten wird. Es liegt im Belieben jedes Antragstellers, die Voraussetzungen der Erteilung einer Konzession zu erfüllen, indem er ein Inklusionstaxi anschafft und dessen Zulassung betreibt, also seinen Fahrzeugpark und seine Betriebsmöglichkeiten erweitert. Dies stellt keine objektive Zulassungsschranke dar, sondern eine subjektiv vom Unternehmer/Antragsteller zu bewältigende Hürde.
Die Steuerung der Zulassung von Inklusionstaxis führt auch nicht zu einer Versagung von Zulassungen herkömmlicher nicht barrierefreier Fahrzeuge, sondern hat lediglich die Zurückstellung solcher Anträge zur Folge, bis ein jeweils angemessener Anteil an Zulassungen von Inklusionstaxis im Verhältnis zu herkömmlichen Taxis erreicht wird. Dieser Anteil wird regional unterschiedlich groß sein. Es liegt im Ermessen der Genehmigungsbehörde, in welchem Verhältnis Zulassungen für multifunktional barrierefreie Taxis (Inklusionstaxi) zu herkömmlichen Taxis erteilt werden.

Zu Buchstabe c
In ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkte Menschen sind Personen, "deren Mobilität bei der Benutzung von Beförderungsmitteln wegen einer körperlichen (sensorischen oder motorischen, dauerhaften oder zeitweiligen) Behinderung, einer geistigen Behinderung oder Beeinträchtigung, wegen anderer Behinderungen oder aufgrund des Alters eingeschränkt ist und deren Zustand angemessene Unterstützung und eine Anpassung der für alle Fahrgäste bereitgestellten Dienstleistungen an ihre besonderen Bedürfnisse erfordert;" (siehe Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004. Der umfasste Personenkreis erstreckt sich folglich sowohl auf Menschen mit körperlicher Behinderung als auch anderweitig mobilitätseingeschränkte Menschen (z.B. Fahrgäste mit Kinderwagen und ältere Menschen, WD 5 - 3000 - 054/19, S. 3).

Zu Buchstabe d
Der Landesgesetzgeber, bzw. die Genehmigungsbehörde muss die Entwicklung der Zulassung von multifunktional barrierefreien Taxis (Inklusionstaxis) beobachten, um über die Steuerung der Konzessionsvergaben dem Übermaßverbot Rechnung zu tragen. Eine restriktive Konzessionsvergabe ist nur solange und in dem Umfang gerechtfertigt, wie hierfür ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bereitstellung barrierefreier Taxifahrzeuge besteht.

So ist z.B. die Absicherung einer stadtweiten zeitnahen Versorgung in Berlin nach einer Musterberechnung der Technischen Universität Berlin auf der Grundlage von Bewegungsdaten von ca. 3.000 Taxifahrzeugen bei einem Versorgungsgrad von ca. 250 barrierefreien Fahrzeugen in Berlin gewährleistet. In Anbetracht von zur Zeit ca. 8.000 Fahrzeugen im Berliner Markt würde dies bedeuten, dass nur etwa jedes dreißigste Fahrzeug in Berlin als Inklusionstaxi zugelassen werden müsste.

Zu Nummer 3

Die bisher in den Bundesländern, bzw. in den Großstädten erlassenen Taxi- und Taxenordnungen schöpfen den zulässigen Regelungsinhalt der Ermächtigungsnorm nicht aus. In vielen Taxiordnungen werden die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen nicht einmal erwähnt (z. B. Taxiordnung von Köln 2004, Taxiordnung Stadt Bremen 1978, Taxenordnung Hamburg 2014). Die landesrechtlichen Taxiordnungen beschränken sich auf Regelungen zu einzelnen Betriebspflichten, der Ordnung auf Taxiständen und Dokumentationspflichten. Die Taxenordnungen haben wiederum lediglich Tarifbestimmungen zum Gegenstand. Diese auf der Grundlage von § 47 Abs. 3 PBefG erlassenen Verordnungen beziehen sich auf die Nummern 1 bis 3 dieser Vorschrift, indem die Rechte und Pflichten der Taxiunternehmer und Taxifahrer nach dem Personenbeförderungsgesetz, die zu dessen Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften, insbesondere der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) sowie die Vorschriften über die Inbetriebnahme von Funkgeräten und die zum Verkehr mit Taxen erteilten Genehmigungen ergänzt werden. Sie sind ganz offensichtlich bisher nicht der Ort gewesen, auch die Verordnungsermächtigung des § 47 Abs. 3 Nr. 4 PBefG mit Inhalt zu füllen.

Die Beförderung von Rollstuhlfahrern, die mit ihrem fahrbaren Untersatz im Taxi befördert werden können, ist eine Leistung, die technisch ohne weiteres lösbar ist und schon von einzelnen Marktteilnehmern erfolgreich umgesetzt wird. Die Barrierefreiheit von Taxis ist aber offensichtlich keine Aufgabe, die das Taxigewerbe insgesamt angenommen hat. Da die Marktteilnehmer selbst auf diese gesellschaftliche Herausforderung nicht in dem gewünschten Umfang reagieren und das Angebot an barrierefreien Taxifahrzeugen auf ein Niveau anheben, dass den Marktanforderungen gerecht wird, sollte der Landesgesetzgeber den Prozess der Markteinführung von Inklusionstaxis stärker steuern.

So könnte z.B. in einer landesrechtlichen Regelung ab einer bestimmten Betriebsgröße die Neuvergabe von Taxikonzessionen an das Vorhandensein und den Einsatz von Inklusionstaxis in dem Betrieb gekoppelt werden. Es wäre dann dem jeweiligen Taxi-Unternehmer überlassen, von welchem Anbieter auf dem Markt er ein geeignetes Fahrzeug beschafft oder ein vorhandenes Fahrzeug umrüstet, wenn er zeitnah eine Zulassung erhalten möchte. Hinsichtlich der rollstuhlgerechten Umrüstung bedarf es keiner technischen Vorgaben seitens des Landesgesetzgebers, da diese bereits von den Herstellern entsprechender Fahrzeuge bei der Zulassung von Kfz als Inklusionstaxis berücksichtigt werden, wobei die Vorschriften der StVZO und der BOKraft zur Anwendung kommen. Da es sich um multifunktional barrierefreie Taxis handelt, sind in der jeweiligen Landesverordnung die Belange von Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, wobei die gesamte Nutzung – vom Taxiruf über die Beförderung bis hin zum Entrichten des Fahrpreises - einzubeziehen ist. Den unterschiedlichen Bedarfen von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen müssen Inklusionstaxis Rechnung tragen. Das bedeutet auch, dass in Inklusionstaxis Blindenführhunde und andere Assistenzhunde immer mitgenommen werden müssen oder auch, dass elektronische Bezahlsysteme für Menschen mit sensorischen oder motorischen Einschränkungen bedienbar sind.

Zu Artikel 2 (Änderung der BOKraft)

Der vorliegende Vorschlag zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes hat die verpflichtende Einführung multifunktional barrierefreier Taxis ("Inklusionstaxis") zum Ziel. In der BOKraft fehlt bisher eine Definition dieser Fahrzeugkategorie, die neben nichtbehinderten Fahrgästen auch jene, die im Rollstuhl sitzen, befördern können.

Die DIN 75078 Teil 1 und Teil 2 für "Kraftfahrzeuge zur Beförderung mobilitätsbehinderter Personen" repräsentiert den Stand der Technik und eignet sich für die Beschreibung der Mindestausstattung dieser Fahrzeugkategorie. Diese Norm gilt für Kraftfahrzeuge, außer Kraftfahrzeuge für den persönlichen Gebrauch, die je nach ihrer variablen Ausstattung für die Beförderung mobilitätsbehinderter Personen geeignet sind. Zweck dieser Norm ist es, Anforderungen an Kraftfahrzeuge zur Beförderung mobilitätsbehinderter Personen festzulegen.

Spezialisierte Umrüstfirmen in Deutschland wenden diese Norm bereits beim Umbau von Serienfahrzeugen zu barrierefreien Taxis an. Sowohl der SoVD, der TÜV als auch die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) setzen auf die Einhaltung der DIN 75078, um eine sichere Beförderung gewährleisten zu können. Eine einheitliche Anwendung dieser technischen Norm stellt für die Fahrer von Inklusionstaxis zusätzlich Rechtssicherheit her.

Auch die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (STVZO) schreibt in § 35a für das Rückhaltesystem der Rollstuhlnutzer im Fahrzeug die DIN 75078 Teil 2 vor. Jedoch fehlt der Bezug auf Teil 1, der u.a. den Platzbedarf und die Kopffreiheit im Fahrzeug definiert. Diese ermöglichen die sichere und komfortable Beförderung von möglichst vielen, unterschiedlich großen Rollstuhlnutzern in Inklusionstaxis.
Um eine ausreichende Klarheit und Rechtssicherheit über die Ausstattung von Inklusionstaxis für das Taxi-/Mietwagengewerbe und eine einheitliche Verwaltungspraxis der zuständigen Genehmigungsbehörden zu gewährleisten, sollte deshalb die DIN 75078 in ihrer Gesamtheit über die BOKraft zur Anwendung kommen.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Das Gesetz soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Die neuen Regelungen tragen zur Erhöhung der Rechtssicherheit bei und stärken die Rolle der kommunalen Genehmigungsbehörden. Die Regelungen sollen so schnell wie möglich genutzt werden können.

Berlin, den 11. Dezember 2019

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