Gemeinsame Forderungen des Deutschen Behindertenrates (DBR) und des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer anlässlich der Koalitionsverhandlungen 2017

Für Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe

"Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden", heißt es in Artikel 3 des Grundgesetzes. Das Ziel der Barrierefreiheit ist ein gesamtgesellschaftlicher, gesetzlich geregelter Auftrag. Ein Kernbestandteil diskriminierungsfreien Lebens ist dabei barrierefreie Mobilität. Denn Mobilität ist mehr als von A nach B zu kommen. Mobilität ist ein Menschenrecht. Freizügigkeit ist in einer rechtsstaatlichen, freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft unabdingbar. Kurz: Mobilität bedeutet gesellschaftliche Teilhabe, Unabhängigkeit und Lebensqualität.

Mit der Freigabe des Fernbusmarktes hat sich im Jahr 2013 in Deutschland eine neue, klimafreundliche Reisealternative etabliert, die bis Mitte 2017 bereits von rund 85 Millionen Menschen genutzt wurde. Insbesondere für Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen sowie für ältere Menschen ist der Fernbus eine attraktive Option, die täglich von Gruppen und Einzelreisenden aus diesem Personenkreis, darunter auch Menschen die einen Rollstuhl benötigen, genutzt wird. Fernlinienbusse bieten eine Vielzahl von Direktverbindungen, gerade auch zwischen kleineren Städten und Gemeinden. Wo mit der Bahn oft mehrere Umstiege notwendig sind, bringt der Fernbus die Fahrgäste direkt ans Ziel.

Darüber hinaus verfügen seit dem Jahr 2016 in Deutschland neu zugelassene Fernbusse über zwei Rollstuhlplätze. Da bislang noch nicht alle Fahrzeuge der Flotte mit Rollstuhlplätzen ausgestattet sind, ist eine flächendeckende Reisemöglichkeit heute noch nicht gegeben. Die deutsche Fernbusbranche erneuert jedoch konsequent ihren Fuhrpark, so dass zum 01.01.2020 alle Omnibusse im Fernlinienverkehr mit zwei Rollstuhlplätzen ausgestattet und Fahrten mit dem Fernbus für alle Bevölkerungsgruppen verfügbar sein werden.

Der Fernbus ermöglicht mit günstigen Preisen Mobilität, die vor der Liberalisierung für viele nicht erschwinglich war. Etwa 50 Prozent der Fernbusnutzerinnen und -nutzer haben ein monatliches Einkommen von weniger als 1.000 Euro.

Der Deutsche Behindertenrat (DBR) und der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) sehen gemeinsam bei nachfolgenden Punkten Handlungsbedarf. Sie appellieren an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, insbesondere auch mit Hinblick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen, im Sinne der Barrierefreiheit folgende Punkte bei verkehrspolitischen Entscheidungen umzusetzen:

  • Barrierefreies Reisen durch Ausbau zentraler Mobilitätsdrehscheiben fördern: Für mobilitätseingeschränkte Menschen ist jeder Umstieg von einem Verkehrsmittel zum anderen eine Herausforderung. Um die Barrieren für Mobilität zu senken, sprechen sich der DBR und der bdo dafür aus, Fernbus, Bahn, ÖPNV und Carsharing zentrumsnah miteinander zu verknüpfen.

    Eine künstliche Trennung des öffentlichen Verkehrs durch eine Verlagerung von Fernbushalten an die Peripherie wird abgelehnt. Von zentralen Verkehrsdrehscheiben profitieren nicht nur Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Durch leicht erreichbare, gut ausgestattete, barrierefreie und multimodale Mobilitätsknoten wird das Reisen mit nachhaltigen Verkehrsmitteln noch attraktiver. Die Folge: weniger Individualverkehr, reduzierte Emissionen und lebenswertere Städte.
  • Barrierefreie Infrastruktur vorantreiben: In vielen Städten und Kommunen existieren vorbildliche, barrierefreie Mobilitätsknoten. Trotzdem ist die Barrierefreiheit in den meisten Fällen noch ungenügend. Dies kann zur Folge haben, dass zum Beispiel Menschen, die einen Rollstuhl für ihre Mobilität benötigen oder blind sind, zwar mit dem Fernbus oder Zug reisen können, ihnen jedoch beim Start, während der Fahrt und am Ziel keine barrierefreie Infrastruktur zur Verfügung steht. Daher rufen der Deutsche Behindertenrat und der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer dazu auf, die Infrastrukturen des öffentlichen Verkehrs und der notwendigen Einrichtungen an Haltestellen und Busbahnhöfen (u.a. barrierefreie WCs, Kundeninformationen und geschützte Aufenthalts- und Warteräume) konsequent barrierefrei auszubauen, um das vom Personenbeförderungsgesetz vorgegebene Ziel einer rollstuhlgerechten Fernlinienbusflotte ab dem Jahr 2020 und einer vollständigen Barrierefreiheit im ÖPNV ab dem Jahr 2022 zu erreichen.

    In der nächsten Legislaturperiode des Bundestages gilt es daher, ein Förderprogramm des Bundes aufzulegen, das Städte und Gemeinden dabei unterstützt, die Infrastruktur des gesamten öffentlichen Verkehrs auf Straße und Schiene barrierefrei auszubauen. Um kostspielige Doppelarbeiten zu vermeiden, sollte existierende Infrastruktur grundsätzlich durch Fernbusse mitbenutzt werden können. Die Erneuerung und Modernisierung der Infrastruktur führt zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe, höherer Attraktivität des gemeinsamen Reisens und damit zu mehr Klimaschutz und weniger Straßenbelastung. Diese Aufgabe ist eine gemeinsame Herausforderung für Kommunen, Länder und Bund. Diese müssen sich ihrer Verantwortung gemeinsam stellen und einen Pakt für Innovation und Klimaschutz durch Linienverkehr schließen.
  • Fordern und fördern bei barrierefreien Bussen: Die gesetzlichen Mindestanforderungen an barrierefreie Fernbusse müssen konsequent durch das Bundesamt für Güterverkehr kontrolliert und überprüft werden. Gleichzeitig gilt es, die im "Handbuch Barrierefreiheit im Fernbuslinienverkehr" aufgeführten Maßnahmen und Empfehlungen mit Leben zu füllen und mit Förderinstrumenten Anreize zu schaffen, freiwillige Maßnahmen zur barrierefreien Aufwertung der Linienbusse zu unterstützen.
  • Fahrer/-innen stärken: Fahrgäste mit Behinderungen sehen sich oft mit Vorbehalten und Vorurteilen konfrontiert. Entsprechend wichtig ist es, Berührungsängste abzubauen. Im Bereich der Aus- und Weiterbildung für das Fahrpersonal sind das geänderte Berufsbild des Fernbusfahrers zu berücksichtigen sowie Menschen mit Behinderung und Rollstuhlnutzer/-innen einzubeziehen.
  • Bussen weiterhin Zugang zu Innenstädten gewähren: Obwohl Busse nur 5 Prozent der Stickoxidemissionen (NOX) des Verkehrs verantworten, wird vielerorts auch über Einfahrverbote für Fern- und Reisebusse diskutiert. Dabei ist der Bus Teil der Lösung und nicht des Problems. Er ersetzt rund 30 Pkw und trägt so entscheidend dazu bei, den Verkehr zu reduzieren. Im Realbetrieb stößt ein Euro VI Diesel-Bus im Durchschnitt nur 50 Prozent der NOx-Emissionen eines modernen Euro 6 Diesel-Pkw aus – absolut und nicht auf den Fahrgast runtergerechnet. Ebenfalls aus Gründen der Barrierefreiheit ist es wichtig, dass Busse auch weiterhin Zugang zu Innenstädten und zentralen Mobilitätsknoten erhalten. Zusätzliche Umstiege bedeuten neue Barrieren.
  • Digitalisierung des öffentlichen Verkehrs vorantreiben: Für die Planung und Durchführung einer Reise ist es essentiell, möglichst einfach umfassende und barrierefreie Informationen über Reiseverlauf, Umsteigemöglichkeiten, Verspätungen und eventuelle Alternativrouten zu erhalten. Hier besteht in Deutschland jedoch noch erheblicher Nachholbedarf. Der DBR und der bdo unterstützen die laufenden Initiativen, Systeme besser zu vernetzen und rufen dazu auf, die Anstrengungen zu intensivieren. In der Digitalisierung des öffentlichen Verkehrs liegt erhebliches Potenzial, das Reisen mit Bus und Bahn attraktiver zu machen und die notwenige Verkehrswende voranzutreiben. Im Sinne der Barrierefreiheit ist es von besonderem Interesse, ein bundeseinheitliches Informations- und Kennzeichnungssystem zur Barrierefreiheit einzuführen, Haltestellen zu zertifizieren und diese Informationen digital zur Verfügung zu stellen.

Der Deutsche Behindertenrat (DBR) ist ein Aktionsbündnis der maßgeblichen Verbände chronisch kranker und behinderter Menschen. Er versteht sich als Plattform gemeinsamen Handelns und des Erfahrungsaustauschs. Unter anderem ist es Aufgabe des Deutschen Behindertenrates, Interessen behinderter und chronisch kranker Menschen und ihrer Angehörigen verbandsübergreifend offensiv zu vertreten.

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) ist der Spitzenverband der deutschen Busbranche und vertritt die Interessen der privaten und mittelständischen Unternehmen aus dem Bereich Personennahverkehr, Bustouristik und Fernlinienbus gegenüber der Politik und Öffentlichkeit.

Der DBR und der bdo arbeiten seit dem Jahr 2016 im Rahmen einer Arbeitsgruppe (DBR) bzw. einer Interessengemeinschaft (bdo) zusammen, um den gesetzlichen Auftrag im PBefG, bis zum 01.01.2020 eine vollständig barrierefreie Fernlinienbus-Flotte zu haben, gemeinsam und aktiv umzusetzen.

Der DBR und der bdo stehen mit ihrer Expertise als Ansprechpartner für Sie als politische Akteure zur Verfügung, um dieses Ziel im Interesse der Fahrgäste mit und ohne Behinderung zu erreichen.

Berlin, den 16.11.2017

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 Forderungen DBR und BDO 2017 (131 KB)
Gemeinsame Forderungen des Deutschen Behindertenrates (DBR) und des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer anlässlich der Koalitionsverhandlungen 2017

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