Stellungnahme des DBR zur Sitzungsunterlage des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die 2. Sitzung der AG "Inklusives SGB VIII"

14. Februar 2023
Für den DBR stellt der auf der 2. Sitzung der AG "Inklusives SGB VIII" aufgerufene Themenkomplex "Leistungstatbestand und Art und Umfang der Leistungen" ein zentrales Element der Reform einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe dar. Seit mehr als 20 Jahren wird unter dem Begriff der "Großen Lösung" die Alleinzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle jungen Menschen – mit und ohne Behinderung – diskutiert. Bisher sind die Zuständigkeiten in der Eingliederungshilfe geteilt.
Während die Leistungen der Eingliederungshilfe bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger körperlicher Behinderung und/oder Sinnesbehinderungen in der Verantwortung der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX liegen, ist die Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII für Kinder und Jugendliche mit einer seelischen Behinderung zuständig. Diese Trennung hat teilweise zur Folge, dass die Träger der Jugendhilfe sich für Kinder und Jugendliche mit geistiger, körperlicher Behinderung und/oder Sinnesbehinderungen in keinem Bereich zuständig fühlen.

Im Koalitionsvertrag 2021-2025 vom 24. November 2021 wird die Zusammenführung beider Systeme angekündigt.

Das aktuelle Gesetzesvorhaben bietet die Chance, eine wirksame Weichenstellung für eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe vorzunehmen und die Belange von jungen Menschen mit Behinderung und deren Familien endlich bedarfsgerecht auszugestalten. Diese Chance darf nicht ein weiteres Mal ungenutzt verstreichen.

Ein inklusives SGB VIII setzt wesentlich die dritte Reformstufe des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) voraus. Denn nur eine Zusammenführung der Eingliederungshilfe für alle Kinder und Jugendlichen mit (drohender) Behinderung unabhängig von der Art der Beeinträchtigung unter dem Dach des SGB VIII wird dem Inklusionsgedanken gerecht.
Damit sich die Kinder- und Jugendhilfe inklusiv weiterentwickelt ist es zwingend erforderlich, dass die hierfür notwendige Finanzierung gesichert ist und die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden:
Dringenden Handlungsbedarf sieht der DBR bezüglich des Fachkräftemangels. Der Bedarf qualifizierter Fachkräfte wird in einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe hoch sein. Interdisziplinäre Teams bei Leistungsträgern und -erbringern sowie Kooperations-verpflichtungen mit anderen relevanten Akteur*innen, beispielsweise aus der Pflegeversicherung oder Eingliederungshilfe sind notwendig.
Auch die Verpflichtungen, alle Angebote allen Berechtigten barrierefrei zugänglich zu machen und die im Einzelfall erforderlichen angemessenen Vorkehrungen gemäß Art. 5 Abs. 3 i. V. m. Art. 4 UN-Behindertenrechtskonvention zu treffen, müssen im SGB VIII verankert bzw. konkretisiert und realisiert werden.
Auch die erforderliche umfassende Neuorganisation der Verwaltungsstruktur kann nicht kostenneutral gelingen. Damit die inklusive Kinder- und Jugendhilfe praxistauglich ist, bedarf es bundesweit tragfähiger Umstellungsstrukturen mit der entsprechenden Finanzierung. Diese müssen gesetzlich geregelt werden.

Die Stellungnahme als Download:
 DBR Stellungnahme vom 14.02.2023 Inklusives SGB VIII - Sitzungsunterlage 2. Sitzung BMFSFJ (147 KB)


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