Es geht um Menschenrechte, nicht um Sichtweisen

Ein Rückblick der DBR-Sprecherinnenratsvorsitzenden Sigrid Arnade

Foto Sigrid Arnade, sie sitzt an einem Delegiertenplatz im Plenarsaal und spricht mit Blick in ihre Unterlagen in ein Platzmikrofon und hat einen großen grauen Ohrhörer auf.
Prof. Dr. Sigrid Arnade in Genf während des Dialogs der UN-Ausschussmitglieder mit der Zivilgesellschaft
Foto: Hans-Günter Heiden
Den Parallelbericht für die Staatenprüfung in diesem Jahr durch den UN-Fachausschuss zu koordinieren und zu finalisieren, war vor allem für das DBR-Sekretariat bei Weibernetz echte Knochenarbeit. Die Genf-Reise zur Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) war auch aufwändig und anstrengend.

Rückblickend muss ich als Leiterin der deutschen zivilgesellschaftlichen Delegation aber sagen: Es hat sich gelohnt! Die Ausschussmitglieder haben sehr gute pointierte Fragen gestellt und eine deutliche menschenrechtlich fundierte Position bezogen, wenn Mitglieder der deutschen Regierungsdelegation mit einer anderen Sichtweise argumentierten. So konstatierten die Ausschussmitglieder, dass es hier nicht um unterschiedliche "Sichtweisen", sondern um eindeutige menschenrechtliche Vorgaben geht, zu deren Umsetzung sich Deutschland verpflichtet hat. Die Ausschussmitglieder kritisierten insbesondere die deutschen Exklusionsstrukturen in der Bildung, auf dem Arbeitsmarkt, beim Wohnen sowie die Anwendung von Zwang gegenüber Menschen mit psychosozialen Beeinträchtigungen.

Die Vorstellung der deutschen Regierungsdelegation hingegen wirkte teils unvorbereitet, teils peinlich. Lediglich der Delegationsleiter, Staatssekretär Schmachtenberg vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, räumte Handlungsbedarf ein. Auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, bezog freimütig eine kritische Position und benannte neben den Problembereichen der Bildung und des Arbeitsmarktes auch die mangelnde Barrierefreiheit beispielsweise bei Arztpraxen.

Ich vermute, dass wir mit unserem Parallelbericht -Parallelbericht UN-BRK 2023 , unserem Statement in Genf sowie den Gesprächen mit Ausschussmitgliedern vor und während der Staatenprüfung zu deren kompetenter Einschätzung der deutschen Behindertenpolitik beigetragen haben. Sehr wichtig waren in diesem Zusammenhang auch die fachkundigen Ausführungen und Statements der Monitoringstelle zur UN-BRK (deren Parallelbericht, siehe Infos sowie Parallelberichte des DIMR mit der wir uns nach meiner Einschätzung gut ergänzt haben.

Jetzt sehe ich mit Spannung den "Abschließenden Bemerkungen" als Ergebnis der Staatenprüfung entgegen. Wenn diese eine ähnliche Stringenz und Klarheit aufweisen wie die Fragen der Ausschussmitglieder, wovon ich ausgehe, dann bekommen wir ein starkes Werkzeug in die Hand, um die Umsetzung der UN-BRK einzufordern. Den Regierungen von Bund und Ländern rate ich, endlich die Menschenrechte ernst zu nehmen.

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